Heiligabend im Hospiz

Schwester Bernadett Maria (r.) und Annette Helling erzählen, wie das haupt- und ehrenamtliche Hospiz-Team die Weihnachtszeit für die Patientinnen und Patienten gestaltet. Foto: D. Boss

Wohl kein anderer Tag ist in Deutschland derart emotional aufgeladen wie der 24. Dezember. An Heiligabend ist vielerorts die Freude groß – vor allem natürlich bei Kindern. Zahlreiche Menschen denken aber auch mit Wehmut an vergangene Feiertage zurück, die sie mit inzwischen längst verstorbenen Verwandten und Freunden begangen haben. Andere fühlen Angst und Bitterkeit, weil sie Weihnachten in einem schwierigen, vielleicht sogar gewaltvollen Umfeld verbringen. Und nicht wenige haben mit ihrer Einsamkeit zu kämpfen, die rund um diesen ganz besonderen Tag besonders schmerzen kann. Vor diesem Hintergrund fragt man sich: Wie muss dann erst der Heilige Abend an einem Ort sein, an dem Trauer und Tod feste Bestandteile des Alltags sind?

„Weihnachten, aber auch der gesamte Advent ist für Patienten und ihre Angehörigen eine hochsensible Zeit“, sagt Annette Helling, Leiterin stationäres Hospiz im Malteser Hospizzentrum St. Raphael in Duisburg. Denn allen Beteiligten sei bewusst, „dass das kommende Weihnachtsfest für die Patientin oder den Patienten das letzte sein wird“. Trotzdem oder gerade deshalb möchten viele der Schwerkranken, die vom Team an der Remberger Straße rund um die Uhr betreut werden, die Wochen oder Tage so intensiv wie möglich erleben. So werden stets schon vor dem 1. Advent die Flure dekoriert. Auch der Weihnachtsbaum wird lange vor dem 24. Dezember im Wohnzimmer aufgestellt. Rund um den Nikolaustag findet traditionell ein Weckmann-Essen statt. „Das ist dann unsere erste Adventsfeier im Hospiz“, so Helling.

 

Hinzu kommen Besuche von ehrenamtlichen Musik-Gruppen, die auf den Fluren Weihnachtliches spielen und singen, und von Kommunionkindern aus der Kirchengemeinde, die kleine Lichter bringen. Das hauseigene Kino-Angebot, immer donnerstags, passt sich ebenfalls der adventlichen Stimmung an. „Gewünscht werden Filme wie ,Der kleine Lord’ oder ,Die Feuerzangenbowle’“. Helling betont: „Die Teilnahme an diesen Aktionen und Angeboten ist natürlich rein freiwillig.“ Wer seine Ruhe haben möchte, bleibt auf seinem Zimmer und lässt die Tür zu.

Das gilt auch für die Heiligabend-Feier, die in diesem Jahr zum 18. Mal von Schwester Bernadett Maria gestaltet wird. Die Ordensfrau aus Marxloh, Seelsorgerin im Malteser-Hospiz, feiert um 15 Uhr einen Weihnachtsgottesdienst im stationären Hospiz. Die Patientinnen und Patienten können je nach Wunsch und Zustand auf Rollstühlen und Stühlen Platz nehmen. „Manche lassen sich auch im Bett dorthin schieben“, erzählt die 67-Jährige. Wenn die Möglichkeit besteht, feiern manche auch im Kreis ihrer Familie und werden anschließend zurück ins Hospiz gebracht. „Wer keinen Besuch bekommt, um den kümmern wir uns an diesem Tag ganz besonders“, sagt Helling.

Zum Wortgottesdienst kommen erfahrungsgemäß etwa 30 Menschen für eine knappe Stunde zusammen. Die Hälfte davon sind Bewohnerinnen und Bewohner. Zusammen mit Angehörigen und ehrenamtlichen Mitarbeitenden hören sie die Weihnachtsbotschaft und singen, begleitet von der Musik-Gruppe „Mensch zu Mensch“, klassische Weihnachtslieder. Bei „Zu Bethlehem geboren“ oder „Stille Nacht“ fließen häufig Tränen. „Die Patienten und Angehörigen dürfen, ja,  sollen ihre Trauer zulassen“, sagt die Seelsorgerin. Nach dem Wortgottesdienst gibt es Kaffee und Kuchen auf den Zimmern. Mit ihrem „kleinen rollenden Altar“, inklusive Krippe und Friedenslicht aus Bethlehem, geht Schwester Bernadett Maria durch die Zimmer. „Wo es gewünscht ist, trete ich ein.“ Das Abendessen besteht dann – ganz traditionell – aus Kartoffelsalat mit Würstchen. „Viele Patientinnen und Patienten sind gerührt, dass sie an diesem Weihnachtsfest im Mittelpunkt stehen. Für manche ist es das erste Mal, dass sie Wertschätzung verspüren“, sagt Annette Helling.

Zur Realität eines Hospizes gehört es auch, dass Menschen an Heiligabend sterben. „Wie an jedem anderen Tag haben die Angehörigen dann die Möglichkeit, in aller Ruhe und Stille von ihren Liebsten Abschied zu nehmen“, sagt die Leiterin. „Und wenn Patientinnen und Patienten fühlen, dass sie es nicht mehr bis Weihnachten schaffen, helfen wir auf Wunsch dabei, dass es auch im Mai oder August ein bisschen adventlich wird.“ Besonders in Erinnerung geblieben ist dem Hospiz-Team ein Weihnachtsmarkt, den Angehörige im Innenhof der Einrichtung veranstaltet hatten. Da war es gerade Frühherbst.

Text: Daniel Boss